Der Trialog vom 26. Jänner 2016 stand im Zeichen der Sexualität. Titel: „Störfall Sexualität. Können psychisch kranke Menschen leben, was sie leben wollen?“
Anbei eine Zusammenfassung des Abends von Michael Mallinger und ein Interview mit Christina Mader, eine der EXIT-sozial Expertinnen zum Thema Sexualpädagogik und Mitglied des EXIT-sozial Arbeitskreises zum Thema.
Nachlese Michael Mallinger:
Eine der ersten Fragen beim letzten Trialog beschäftigte sich damit, ob die jeweils behandelnden Ärzt_innen ausreichend über mögliche Einflüsse auf die Sexualität durch Psychopharmaka hinweisen. Hier gibt es offenbar großen Aufklärungsbedarf, Patient_innen müssen den Informationen oft nachlaufen.
Es folgte eine differenzierte Debatte zur Frage, was ein_e Betreuer_in im Umgang mit Klient_innen alles aushalten muss, wo es Unterstützung braucht, wo die Grenzen sind, die für alle verbindlich eingehalten werden sollten. Viele dieser Fragen sind nur individuell beantwortbar, persönliche Wertvorstellungen dürfen aber die Toleranz im Umgang mit Sexualität nicht blockieren.
Der Umgang mit Sexualität im Betreuungskontext ist einem ständigen Wandel unterworfen und in den letzten Jahrzehnten deutlich reflextierter und offener geworden. Es gibt auch Möglichkeiten, die Unterstützung einer Sexualbegleitung anzunehmen.
In einigen Vereinen und Organisationen, so auch bei EXIT-sozial, wird an der Ausarbeitung eines „Gütesiegels Sexualität“ gearbeitet, um verbindliche Umgangsweisen zu formulieren, an die man sich halten muss und die eingefordert werden können.
Ein weiteres Thema des Abends, war die Tatsache, dass ein sehr hoher Prozentsatz (80%) von Frauen mit psychiatrischen Diagnosen sexuelle Übergriffe erlebt haben und dass solche Gewalterfahrungen eine schwere Hypothek für ein erfülltes Sexualleben darstellen.
Alles in allem wurden an diesem Abend wieder viele verschiedene Aspekte eines wichtigen Themas beleuchtet und in einem offenen, wertschätzenden Klima, darüber diskutiert. Leider ist dieses Mal eine ärztliche Sicht abgegangen.
Der Wunsch der den Teilnehmer_innen gemeinsam war, war, weiterhin am Thema Sexualität dran zu bleiben – offenbar besteht im Alltag eher wenig Gelegenheit zum Austausch darüber.
Der nächste Trialog findet am 5. April 2016 statt, zum Thema: „Mit einer psychischen Erkrankung älter werden. Probleme und HIlfen.“ (Wissensturm Linz, 19 Uhr) Jede_r ist herzlich eingeladen daran teilzunehmen.
Interview mit Christina Mader:
Christina, du bis eine von 2 Ansprechpersonen bei EXIT-sozial, die zum Thema Sexualität und Beeinträchtigung, jederzeit kontaktiert werden können. Wie würdest denn du die Sexualität und die Wichtigkeit dieses Themas beschreiben?
Chr. M.: Sexualität ist ein zentraler Aspekt des Menschseins und somit auch ein wichtiges Thema in unserem Betreuungsalltag. Sie ist ein elementares körperliches, seelisches und soziales Grundbedürfnis der Menschheit, für Männer und Frauen, für gesunde und psychisch kranke Menschen. Damit Sexualität aber gelebt werden kann, erfordert dies einen positiven, respektvollen und sensiblen Umgang mit diesem Thema.
Inwiefern stellt sich denn das Thema Sexualität für psychisch kranke Menschen anders bzw. schwieriger dar?
Chr. M.: Sexualität wird vor allem für beeinträchtigte Menschen durch Regeln, Werte und Normen, durch Verhaltenserwartungen, durch geschriebene und ungeschriebene Gesetze unserer Gesellschaft gelenkt. Oftmals ist das Thema Sexualität und Beeinträchtigung auch negativ behaftet – dem wird mit Begrenzung und Bedrängung begegnet.
Was passiert in der Gesellschaft bzw. auch bei EXIT-sozial dafür, dem entgegen zu wirken?
Chr. M.: In Oberösterreich soll mittels des „Gütesiegels Sexualität und Beeinträchtigung“ sicher gestellt werden, dass alle Einrichtungen zur Begleitung von Menschen mit Beschränkungen, ihren Bewohner_innen im Rahmen des OÖ Chancengleichheitsgesetzes die Voraussetzungen zum Erleben von „Liebe, Zärtlichkeit, Partnerschaft und Sexualität“ schaffen. Um dieses Gütesiegel zu erhalten müssen Qualitäts-Standards eingehalten werden – bauliche, strukturelle und organisatorische Maßnahmen. EXIT-sozial hat vor zwei Jahren einen Arbeitskreis zu diesem Thema implementiert und bereitet sich im Zuge dieses Arbeitskreises auch darauf vor, dieses Gütesiegel zu erhalten. Zudem beschäftigen wir uns aber auch mit einer Trägerpositionierung zu diesem Thema.
Was kann man unter dieser Trägerpositionierung verstehen?
Geschäftsführer_innen, Mitarbeiter_innen, Interessensvertreter_innen und Bewohner_innen tauschen sich über das Thema aus und über ihre Positionen. Die so genannte Trägerpositionierung soll uns am Ende als Leitfaden dienen, im Umgang mit Sexualität im Betreuungs- und Arbeitsalltag und unsere Haltung zum Thema Sexualität wiederspiegeln.
Danke für das Gespräch!
Sie interessieren sich für dieses Thema, haben Fragen?
Christian Holzknecht (Betreute Wohngemeinschaften und Mobile Betreuung) und Christina Mader (Wohnhof Katzbach) können dazu gerne kontaktiert werden.