Nachbericht zum ONLINE-TRIALOG vom 20. April 2021 von Hans Nussbaumer.
Thema: Psychisch krank? Was ist hilfreich?
Bei diesem Online Trialog haben 20 Personen teilgenommen.
Einleitend wurde darüber diskutiert was unter psychisch krank verstanden wird. Vor allem die Diagnose, die von ÄrztInnen gestellt wird ist für viele ausschlaggebend. Die Standardbehandlung erfolgt nach wie vor medikamentös, wobei sich in den letzten Jahrzehnten zusätzliche Behandlungsmethoden in der Psychiatrie etabliert haben. Auch deshalb, da der Erfolg durch Medikamente allein weder für PatientInnen und ÄrztInnen immer befriedigend ist.
Die erste Fragestellung an die TeilnehmerInnen war daher: Wie kann man gesund werden? Wie kann Leiden verringert und die Lebensqualität gesteigert werden?
Psychisch krank sein bedeutet in erster Linie vor den Scherben seines bisherigen Lebens zu stehen. Beziehungen sind zerbrochenen, FreundInnen und Familie distanzieren sich und beruflich sieht es oft auch nicht gut aus.
Als Hilfreich erweist sich dann oft Struktur in den Tag zu bringen, leere Zeit mit Sinnvollem zu verbringen. Es muss für einen selbst Sinn machen. Das kann auch Tanzen, Malen oder Singen sein. Wichtig ist auch, wenn möglich, Kontakte zu pflegen, sie liefern wichtige Rückmeldungen. Nicht hilfreich ist die Frage wer oder was hat Schuld. Das verharren in der Opferrolle verhindert aktive Veränderungen. Auch das Loslassen von Wertvorstellungen, Ansprüchen an sich selbst und alten Verhaltensmustern kann das Leben als psychisch Kranker leichter machen.
Auch der Blick über den eigenen Gartenzaun lohnt sich. Festzustellen andere haben auch kein sorgenfreies Leben, kann erleichternd sein. In gewissen Fällen ist es auch ratsam eine Selbsthilfegruppe zu besuchen um dort über Erfahrungen zu sprechen die sonst tabuisiert sind. Erwähnt wurde auch das Recovery- Konzept, bei dem eine Heilung, also Rückkehr zu einem Leben „davor“, nicht das Ziel darstellt, sondern das die Krankheit ein Teil davon wird, ohne Dieses zu dominieren. Dazu gehört auch die Möglichkeit selbstbestimmt Entscheidungen treffen zu können. Patentrezept gibt es freilich keines. JedeR muss für sich die richtige Zusammenstellung finden. Dies ist ein Entwicklungsprozess, bei dem es auch zu Rückschlägen kommen kann. Eine professionelle Begleitung durch TherapeutInnen oder SozialarbeiterInnen oder Besuch von Einrichtungen kann auch zeitweise unterstützend sein.
Ein Kommentar bezog sich auch auf das funktionieren müssen. Es wird erwartet in seiner Rolle als Arbeitskraft, PartnerIn oder Elternteil zu funktionieren. Körperliche und geistige Fitness ist dabei eine wesentliche Ressource, um deren Zustand man sich selbst kümmern muss. Gesund ernähren, Sport betreiben, kein Alkohol und Nikotin gelten als Grundvoraussetzung. Manchmal hat man aber einfach nur Glück im Leben gehabt.
Zuletzt wurde noch die Frage gestellt wie Psychiatriebetroffene die Corona-Krise erlebt haben. Bei manchen haben sich Ängste und Depressionen, auch paranoide Ideen verstärkt. Der Großteil erlebte aber zu Beginn keine großen Einschnitte, soziale Kontakte konnten viele kaum reduzieren und finanzielle Einschnitte erlebten wenige. Doch durch die Schließung von Einrichtungen, Betretungs- und Besuchseinschränkungen hat sich der Zustand schleichend verschlechtert. Hier zeigt sich wie notwendig ein vielfältiges psychosoziales Angebot ist. Bleibt zu hoffen, dass bei den geplanten Öffnungen nicht darauf vergessen oder verzichtet wird.
Noch ein Tipp am Schluss für Cineasten. Der Film „Eddy the Eagle“ über jene Engländer der sich in den Kopf gesetzt hatte als Skispringer an der Olympiade teilzunehmen und dies trotz aller Vorhersagen und widrigen Umstände schaffte. Auch wenn er dabei auf dem letzten Platz landete.
Am 15.06.2021 findet unser nächster ONLINE-TRIALOG statt zu dem Thema
„Schwarze Pädagogik“
(Spät)Folgen der Unterbringung in Heimen für die Psyche
Foto: Pixabay