Nachbericht zum Online-Trialog vom 23. Februar 2021 von Hans Nussbaumer.
Thema: „Grenzen im Kopf“ Stigmatisierung und Selbststigmatisierung psychiatriebetroffener Menschen.
Nachdem in Jahr 2020 Corona-bedingt nur zwei Trialoge im Wissensturm stattfanden, wurde dieser Trialog online via Zoom abgehalten.
Das Interesse dafür war groß, was sich in der Anmeldung von ca. 30 Personen spiegelte. Ein Vorteil war vor allem die Möglichkeit für entfernt Ansässige teilnehmen zu können, auch aus anderen Bundesländern, ohne große Wege zurücklegen zu müssen.Nachdem Christian Bergmair dankenswerterweise das Einrichten und Verwalten der Zoomgruppe übernahm, verlief alles reibungsfrei.
Einige TeilnehmerInnen waren daran interessiert herauszufinden, wie ein Trialog so abläuft um selbst eventuell ein ähnliches Format umzusetzen.
Zum Thema Stigmatisierung wurden einige Punkte angesprochen aber wenig darüber diskutiert. Die folgende Zusammenfassung geht auf diese Punkte ein, ist aber nicht als Konsens der Trialog-Gruppe zu werten, eher als Ergänzung des Verfassers.
Das Thema Stigmatisierung ist spätestens seit den Anti-Stigma Kampagnen im Psychiatriebereich ein Begriff. Trotzdem ist nicht immer klar worum es dabei geht. Die Anti-Stigma Kampagne richtete sich vor allem gegen das schlechte Image der Psychiatrie innerhalb der Medizin.
Begriffe wie Schizophrenie sind nicht mehr so gebräuchlich, es wird von Psychose und Anpassung-Störungen gesprochen und eine Erschöpfungsdepression ist jetzt ein Burn-out.
Eine Frage ist auch aufkam war: Wo der Unterschied von Stigmatisierung und Diskriminierung liegt?
Stigmatisierung sind eher allgemeine Vorurteile oder Zuschreibungen einer gesellschaftlichen Gruppe, die an einem offensichtlichen Merkmal (Hautfarbe, Herkunft, Religion, Geschlecht oder körperlicher Andersartigkeit) oder einem definierten Merkmal (Diagnose) festgemacht werden.
Diskriminierung erlebt eine Person als Folge der Stigmatisierung durch Beschneidung Ihrer Rechte, Herabwürdigung oder gar Missbrauch.
Ebenfalls wurde im Trialog der Monitoring-Ausschuss erwähnt. Dabei handelt es sich um eine Gruppe von ExpertInnen, JuristInnen und Betroffene. Der Monetoring-Ausschuss beurteilt die Situation und Lage der Betroffenen, überprüft gültige Gesetzte und gibt einen Bericht an die Europäische Union ab. Diese fordert gegebenenfalls daraufhin den Staat zu Änderungen auf und könnte auch Strafen verhängen.
In der Realität folgen Willensäußerungen, halbherzige Umsetzungen und eine neuerliche Erwähnung im nächsten Bericht an die EU.
Doch wie heißt es im Sprichwort „Steter Tropfen höhlt den Stein“.
2017 gelang die Umsetzung einer Reform des Sachwalterschaftsrechtes. Eine Reform des Maßnahmevollzuges ist immer noch überfällig.
Zurück zum Trialog: Es kam auch zu Wortmeldungen bezüglich einer Selbststigmatisierung. Stigmatisierungen sind tief verankert. Vor Jahren sagte ein Psychiatrieerfahrener zu mir den Satz „Einmal Psychiatrie- Immer Psychiatrie“, der die Stigmatisierung in diesem Bereich sehr gut wiedergibt. Das über den eigenen Schatten springen ist die erste Hürde. Die nächste mit einem erneuten Scheitern zurechtkommen und es wieder zu versuchen. Viele gehen das Risiko nicht mehr ein, greifen vorschnell zu gewohnten Unterstützungsangeboten und geben die Verantwortung ab. Es scheint leichter und erfordert nicht so große Anstrengungen. Es fiel auch der Begriff „Krankheitsgewinn“.
Ein anderes Problem ergibt sich in der Frage ob dem Umfeld von der eigenen Psychiatrieerfahrung erzählt werden soll. Sollen die Arbeitskollegen und die Firma darüber Bescheid wissen? Darf Verständnis eingefordert werden? Handelt es sich bei Anerkennung von Leistungen um ehrliches Feedback oder um vorsichtigen Umgang oder gar Mitleid? Dazu wurde ein Beinbruch als Beispiel ins Gespräch gebracht. Wenn man sich ein Bein bricht, hat man ein paar Wochen einen Gips und wenn dieser entfernt ist, kann wieder uneingeschränkt weitergemacht werden. Dieses Beispiel ist eine Antwort auf die Frage, was Betroffene brauchen. Es ist der Wunsch eine Verletzung auszuheilen, schlechte Erfahrungen und persönliches Scheitern hinter sich lassen zu können und eine Chance zu bekommen. Nicht unbedingt um beim Alten anzuschließen sondern um woanders zu starten. Schließlich hinterlassen Wunden Narben. Sie zeichnen einen für das weitere Leben, zeigen aber auch eine bestimmte Erfahrung gemacht zu haben und trotzdem nicht das Handtuch geworfen zu haben.
Bleibt zum Ende noch der Hinweis auf die Gefahr, wenn Stigmatisierung politisch genutzt wird um zweifelhafte oder nicht dem Konsens entsprechende Ziele umzusetzen oder vom eigenen Versagen abzulenken. Sogar der gelbe Stern wurde in letzter Zeit völlig zu Unrecht und missbräuchlich hervorgeholt.