Friedrich Zawrel starb am 20. Februar im Alter von 85 Jahren. Er trug als Zeitzeuge wesentlich zur Aufarbeitung der Verbrechen in der einstigen Heil- und Pflegeanstalt „Am Steinhof“, dem Wiener Zentrum der NS-Tötungsmedizin, bei. Siebentausendfünfhundert Menschen, darunter achthundert Kinder und Jugendliche, wurden hier zwischen 1940 und 1945 ermordet.
Friedrich Zawrel hinterlässt eine heute unfassbare Lebensgeschichte über das Leid, das durch eine inhumane Psychiatrie verursacht wurde. Er wuchs unter sozial schwierigen Verhältnissen in einem Wiener Arbeiterbezirk auf und wurde 1940 in die Anstalt „Am Spiegelgrund“ eingewiesen. Heinrich Gross stufte als Arzt der NS-Anstalt den Jungen als „erbbiologisch und sozial minderwertig“ ein, folterte und quälte ihn mit „medizinischen“ Versuchen. Achthundert Kinder wurden in den folgenden fünf Jahren ermordet, doch Zawrel gelang die Flucht, wurde aber nach wenigen Wochen wieder gefasst und zu vier Jahren schwerem Kerker verurteilt. „Die NS-Justizanstalt war unglaublich grausam, aber eben nicht so mörderisch wie die ‚NS-Euthanasieklinik‘ für Kinder im Psychiatrischen Krankenhaus der Stadt Wien“, sagte Zawrel 2004 im STANDARD.
Im Gefängnis wird Friedrich Zawrel 1975 erneut Opfer von Heinrich Gross, der nach dem Krieg als psychiatrischer Gerichtsgutachter wirkte. Im Jahr 2007 schildert Zawrel das Aufeinandertreffen im STANDARD: „Er hat mich nicht wieder erkannt. Er behandelte mich grausam, als ob ich der letzte Dreck wäre. Irgendwann sagte Gross: ,Sind Sie schon einmal psychiatriert worden?’ Mit dem Satz war’s aus. Ich sagte zu ihm: ,Für einen Akademiker ham S’ a sauschlechtes Gedächtnis.’ Als er dann wieder wusste, wer ich war, hat er mir alle gutachterliche Hilfe versprochen. Aber das Gutachten, das er mir ausgestellt hat: Da braucht man eigentlich nur mehr einen Strick um den Hals, und aus.“
Es war dann ein sehr langer Weg und es bedurfte mutiger Menschen, damit Friedrich Zawrel etwas Gerechtigkeit zuteil und Heinrich Gross beinahe der Prozess gemacht wurde; der Film „Meine liebe Republik“ (2006) von Elisabeth Scharang erzählt diese Geschichte eindrucksvoll. Vor allem aber wird es das Verdienst von Friedrich Zawrel bleiben, dass die öffentliche Debatte über die gefolterten und ermordeten Kinder vom Spiegelgrund nicht verstummte. (Der Standard, Wiener Zeitung, Foto: Der Standard; go)