EXIT-sozial Gesundheitstag: „Bereits früh das Gefühl von Geborgenheit geben“

Wodurch kann die Seele verletzt werden? Wie erkenne ich eine Traumatisierung und was kann ich tun, um vorzubeugen? Martin Schmid, Psychologe und Krisenberater, wird beim EXIT-sozial Gesundheitstag am kommenden Donnerstag, 28. Mai, ab 18 Uhr, einen der drei Fachvorträge halten. Wir haben schon jetzt nachgefragt.

Übrigens: Weil das Interesse für die psychische Gesundheit stark gewachsen ist, übersiedelt der Gesundheitstag vom Psychosozialen Zentrum Linz-Urfahr in den nahen Pfarrsaal bei der Friedenskirche. Wieder stehen praxisnahe Fachvorträgen und persönliche Gesprächen, in denen Betroffene und Helfende aus der eigenen Erfahrung berichten, auf dem Programm.

Wodurch kann die Seele verletzt werden? Was sind die häufigsten Ursachen?
Martin Schmid: Nun, grundsätzlich können wir darauf vertrauen, dass unsere Psyche bewährte Mechanismen entwickelt hat, um schwierige Situationen unverletzt zu bewältigen. Wenn aber ein Erlebnis diese Mechanismen überfordert, dann entsteht ein Gefühl der völligen Hilflosigkeit. Der unerwartete Todesfall eines Angehörigen, ein erlittener Missbrauch oder auch das Mitansehen müssen einer Gewalttat können so zu einem seelischen Trauma führen.

Ist dieser seelische Schutzmechanismus bei allen ähnlich oder sind Menschen doch eher unterschiedlich verletzbar?
Schmid: Eher unterschiedlich. Es gibt Menschen, die resistenter gegen Traumata sind und so dramatische Erlebnisse auch ohne professionelle Hilfe gut verarbeiten können. Bei sexuellem Missbrauch aber und anderen, schweren, längeren Gewalterfahrungen, ist eine therapeutische Hilfe in jedem Fall notwendig.

Was kann ich tun, um diesen Schutzmechanismus zu stärken?
Schmid: Ganz wichtig ist es, Kindern bereits früh das Gefühl von Geborgenheit zu geben. Und je mehr junge Menschen erfahren können, dass die Welt gut sein kann, weil es ein liebevolles soziales Umfeld gibt, und je mehr hier das Vertrauen wachsen kann, dass mein Leben meiner Kontrolle unterliegt, umso größer wird später die Resistenz gegen psychische Verletzungen sein.

Was ist ein großer Risikofaktor für eine psychische Verletzung?
Schmid:
Ein hoher Risikofaktor liegt in der Situation selbst. Wenn Menschen aus einer Gefahr weder fliehen noch dagegen kämpfen können, dann gibt es eine in unserem Gehirn angelegte Überlebensstrategie: Wir stellen uns tot. Doch später kommen Schuldgefühle: „Warum bin ich nicht davongelaufen? Warum habe ich mich nicht gewehrt?“

Wie erkenne ich, dass meine Seele verletzt wurde?
Schmid: Wenn jemand, nach einem belastenden Erlebnis, permanent unter Anspannung steht, Herzklopfen hat, nicht mehr zur Ruhe kommt oder immer wieder schreckliche Bilder auftauchen vom Ereignis, dann können das Symptome einer Traumatisierung sein. Jetzt ist es wichtig, dem Körper und der Psyche Zeit zu geben, das Erlebte zu verarbeiten. Wenn diese Symptome länger andauern, ist eine professionelle Hilfe notwendig.

Wo ist diese Hilfe für die Seele zu finden?
Die Krisenhilfe anrufen, unter 0732 719 719 oder 0 732 65 10 15, das ist rund um die Uhr möglich. Menschen fühlen sich hier verstanden, können vieles abladen, ohne das Gefühl zu haben, jemandem zur Last zu fallen. Auch Angehörige von traumatisierten Menschen können sich hier Rat und Unterstützung holen. Für viele ist es wichtig zu hören: „Das ist eine ganz normale Reaktion auf ein nicht normales Ereignis“. Schon ein erstes Telefongespräch kann oft sehr entlasten.

Was kann ich tun, um einer psychischen Verletzung vorzubeugen?
Einen gesunden Umgang mit Stress und Herausforderungen lernen, die eigenen Grenzen beachten und, ja, das klingt jetzt sehr nach Therapeuten: „Mehr auf sich schauen!“.

Was können Angehörige tun?
Einfach da sein und die psychischen Reaktionen aushalten. Das ist nicht immer leicht, und da ist es gut, wenn Angehörige wissen, was ein seelisches Trauma bewirken kann und erfahren, dass ein dreitägiges Schweigen ganz normal sein kann. Auch hier gilt:  Auf die eigenen Grenzen achten und sich rechtzeitig Hilfe holen.

Wenn aber die Traumatisierung sehr stark ist…
… EXIT-sozial hat dafür vier Krisenzimmer, die einen sicheren Raum bieten, wo rund um die Uhr eine professionelle Begleitung da ist und so die erste Phase gut überwunden werden kann. Die Wahrscheinlichkeit, sich von einer psychischen Verletzung wieder vollständig zu erholen, ist sehr hoch.

Mag. Mag. (FH) Martin Schmid ist Psychologe und Krisenberater bei EXIT-sozial. „Verletzungen rechtzeitig erkennen“ ist der Titel seines Vortrages beim Gesundheitstag am 28. Mai im Pfarrsaal bei der Friedenskirche.