Ein zwanghaftes Sammeln und Horten führt häufig zu einer fast ausweglos vollgestellten Wohnung. Und zu vielen weiteren Problemen. „Schnelle Lösungen wie etwa eine gut gemeinte Räumaktion sind hier keine nachhaltige Hilfe“, weiß Kerstin Karlhuber. Daher begleitet die Psychotherapeutin, gemeinsam mit Psychologen Christian Lang, Menschen mit Sammel- und Unordnungssymptomen: In der Gruppe von ähnlich Betroffenen kann hier ganz offen über Probleme, über Angst, Scham und Einsamkeit, gesprochen werden. Gemeinsam lassen sich so Wege aus dem inneren und äußeren Chaos finden. Jeden dritten Mittwoch im Monat, von 17.30 bis 19 Uhr, im Psychosozialen Zentrum EXIT-sozial, Wildbergstraße 10a, Linz-Urfahr.
„Es gibt Auswege für Messies“, ermutigt Kerstin Karlhuber zur Teilnahme an der monatlichen, kostenfreien Selbsthilfegruppe in Linz-Urfahr. Und niemand braucht sich davor zu scheuen, denn „wir achten sehr auf die persönlichen Fähigkeiten und Möglichkeiten eines jeden Einzelnen. Das ist uns wichtig, damit Vertrauen und gute Zusammenarbeit möglich wird“. Aber auch der Kontakt zu anderen, die ganz ähnliches Erleben, hilft, die Symptomatik des „zwanghaften Hortens“ besser zu verstehen. Und genau das eröffnet den Weg zum besseren Verstehen der eigenen Handlungen und ihrer Ursachen. „So gelingt es, die oft großen Ängste und die sehr hinderliche Scham abzubauen, eine oft längere Isolation zu beenden und die Lebensqualität wieder deutlich zu verbessern“, berichtet Psychologe Christian Lang. Aber auch Angehörige von „Messies“ sind in der Gruppe willkommen, um über ihre persönlichen Erfahrungen zu berichten.
Wegwerfen oder Aufheben? Für die meisten von uns ist das eine eher einfache Entscheidung. Doch „für etwa vier Prozent der Oberösterreicherinnen und Oberösterreicher ist damit ein scheinbar unlösbares Problem verbunden. Die Folge ist eine zunehmende und ernsthafte Unordnung im Wohnbereich“, sagt Karlhuber. Und weil diese „Unordnung“ auf Englisch „mess“ heißt, werden seit einiger Zeit Menschen, die aus innerem Zwang heraus Dinge horten müssen, als „Messies“ bezeichnet. Im Unterschied zu einem Sammler oder einer Sammlerin sind Messies nicht stolz auf ihren Besitz. Ganz im Gegenteil: Die Ansammlung an gehorteten Gegenständen, die oft ohne eine Ordnungsstruktur die Wohnung blockieren, wird als peinlich erlebt. Die Vereinsamung ist eine häufige Folge, weil Besucher möglichst nicht mehr eingelassen werden.
Schwerwiegende Folge: Die Wohnung wird unbewohnbar. Menschen, die unter einem Messie-Symptom leiden, horten alles Mögliche: Lebensmittel, Kosmetikartikel, Zeitungen, Plastiksackerl, Bekleidung, Bücher, Flugblätter, Werkzeug, Verpackungsmaterial, … „Um den Gegenständen genug Platz einzuräumen, verliert die Wohnung zunehmend an Funktionalität“, berichtet Christian Lang. So kann etwa die Dusche nicht mehr benutzt werden, weil dort Stöße alter Zeitungen lagern; oder die Arbeitsflächen der Küche sind so vollgeräumt, dass ein Kochen nicht mehr möglich ist. Nach der Funktionalität geht schließlich die Bewohnbarkeit an sich verloren. Das hat schlimme Folgen: Während in der einen Wohnung letzte bewohnbare Plätze noch durch ein Gangsystem verbunden bleiben, gleicht eine andere einer einzigen Müllhalde und die Betroffenen müssen auswärts übernachten, weil das Bett nicht mehr zugänglich ist.
Das Messie-Symptom ist keine psychiatrische Erkrankung, sondern „nur“ das Symptom einer psychischen Störung. Menschen, die unter zwanghaftem Handeln leiden oder unter Depression, haben häufig auch mit dem Messie-Symptom zu kämpfen. „Betroffene leiden häufig unter ihrer inneren und äußeren Welt“, sagt Psychotherapeutin Karlhuber.“ Sie erleben Angstzustände, es fällt ihnen schwer Entscheidungen zu treffen, sie schämen sich über den Zustand ihrer Wohnung, sie isolieren sich von ihrem sozialen Umfeld, haben nicht selten finanzielle Schwierigkeiten und gefährden ihre Gesundheit“. Eine nachhaltige Hilfe, um dauerhafte und schwerwiegende Folgen für die Gesundheit zu vermeiden, ist daher dringend erforderlich.
„Auch wenn die Lage manchmal im wahrsten Sinn des Wortes ausweglos erscheint, Veränderung ist möglich“, sagt Psychologe Christian Lang. „Betroffene sollten sich daher nicht scheuen, rechtzeitig Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Angehörigen sollten dazu ermutigen!“ EXIT-sozial biete dafür seit Herbst eine Selbsthilfegruppe an, übrigens die einzige in Oberösterreich dieser Art. Diese begleitete Gruppe hilft, mit anderen „Messies“ über die persönlichen Erfahrungen und Probleme zu sprechen und so gemeinsam neue Handlungsmöglichkeiten und Lösungen zu entwickeln.
Jeden dritten Mittwoch im Monat, immer von 17.30 Uhr bis 19 Uhr, im Psychosozialen Zentrum von EXIT-sozial in der Wildbergstraße 10a, Linz-Urfahr. Die Teilnahme ist kostenlos, eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Nähere Informationen finden Sie hier.